RINI PEGKA

View Original

Verrückt oder naiv: War die Zukunft früher besser?

Bevor du jetzt denkst, dass ich in Nostalgie schwelge, in den Modus "alte weiße Frau" verfalle oder der digitalen Technologie den Krieg erkläre (was natürlich nicht stimmen kann, da ich teils selbst aktiv in der Branche tätig bin und sie auch für mein Business nutze), lass mich eines klarstellen:

Ich möchte in diesem Artikel nicht meine Frustration ausdrücken, sondern zum Nachdenken anregen.

Was ich in diesem Text anspreche, ist etwas, das schon lange in mir brodelt, und vielleicht kennst du das auch (vor allem, wenn du über 40 bist 😆) - der Gedanke, der immer öfter auftaucht:

Bin ich verrückt geworden, bin ich die Einzige, die das so sieht, oder bin ich einfach zu romantisch/naiv/sensibel für diese Welt?

Von Social Media und KI-Technologien, die fast unser ganzes Leben übernehmen wollen - das meiste davon ungefragt - bis hin zu den rechtsextremen Wahlergebnissen der letzten Europawahlen:

Manchmal kommt mir die Welt wirklich ver-rückt vor - und das auch oft bei Dingen, die wir inzwischen für normal und selbstverständlich halten. Vielleicht wirst du an der einen oder anderen Stelle mit dem Kopf wild nicken oder mir den Vogel zeigen. Auf jeden Fall freue ich mich auf deinen Input.

Here we go: Geht es nur mir so oder findest du es nicht auch verrückt, dass...

  • unsere Smartphones nie mehr als 50 cm von uns entfernt sind und jeder gefühlt ständig auf seinen Bildschirm starrt, in der U-Bahn, beim Essen, auf dem Kinderspielplatz?  Wir glotzen so viel auf unsere Smartphones, dass wir bald Straßenlaternen mit Polstern versehen müssen. Unsere Nacken haben mittlerweile einen eigenen Chiropraktiker. #SmartphoneZombies

  • Smartphones im Klassenzimmer erlaubt sind? Aus welchem Grund? Schnell mal googeln, ob der Französischlehrer „Je m'appelle“ richtig ausspricht? Weil den Schülern langweilig ist??? Als ich in die Schule kam, musste ich meinen Fernseher und meinen GameBoy auch zu Hause lassen.

  • wir jede Aktivität unseres Lebens mit Fotos oder Videos für Social Media dokumentieren - in Echtzeit? Egal ob privat oder beruflich, mit oder ohne Kleidung, egal wann, wo und warum? Und erwarten, dafür bewertet zu werden? Ist ein Instagram-Profil wirklich so weit entfernt von einer Black Mirror-Dystopie, in der über unserem Namen unsere soziale Währung steht (aka wie viele Menschen uns folgen)?

  • wir wichtige Neuigkeiten oft zuerst über soziale Medien erfahren und nicht direkt von Freunden oder der Familie?

  • es so viele Studien, Berichte, Erlebnisse, Fakten gibt, die die negativen Auswirkungen von Social Media auf die psychische Gesundheit von Menschen, insbesondere von Kindern, belegen, und die verschiedenen Plattformen immer noch nicht reguliert sind?

  • das Wohnen in einer Stadt im Jahr 2024 (!) für viele Menschen nach wie vor unbezahlbar ist? Oder dass die für unsere Gesellschaft wirklich wichtigen Jobs unterbezahlt sind? Und dass es immer noch so viele Bullshit-Jobs gibt?

  • wir enge Freundschaften und andere intime Beziehungen (online) pflegen, indem wir einen kurzen Text schreiben oder etwas in ein digitales Gerät diktieren?

  • fast niemand mehr telefoniert? Und wenn doch, dann über den Handylautsprecher während man in der U5 sitzt, damit es auch alle hören?

  • spontane Treffen und Unternehmungen fast unmöglich sind? Und dass es 23.645 Absprachen braucht, um sich mit jemandem überhaupt physisch treffen zu können – in 15 Wochen?

  • wir unserem Terminkalender stets hinterherhecheln und nie wirklich viel Zeit haben für das, was uns menschlich wichtig ist und am Herzen liegt, trotz fortgeschrittener Technik, Smartphones, KI & Co?

  • wir es immer noch nicht nachhaltig und erfolgreich geschafft haben, keine Kohlenwasserstoffe mehr zu verbrennen, um uns fortzubewegen, dass die meisten Elektroautos immer noch zu teuer (und zu hässlich) sind und dass es sowieso zu wenig Ladestationen gibt?

  • viele von uns sich nur über den Job definieren und gar nicht so genau wissen, wer wir eigentlich außerhalb davon sind und uns auch keine wirklichen Auszeiten nehmen? Die Work-Life-Blending-Mentalität tut ihr Übriges.

  • wir denken, ständig erreichbar und für den Job verfügbar sein sein zu müssen, selbst außerhalb der Arbeitszeiten und auch am Wochenende (freiwillig) arbeiten, obwohl wir nicht Olaf Scholz oder Joe Biden heißen und keine Notfallkräfte sind? Immer erreichbar sein? Früher war das nur etwas für Superhelden.

  • gefühlt jeder Arbeitnehmer glaubt, dass Überstunden “Pflicht” sind und mit dem Gehalt abgegolten sind? Sind sie aber nicht - mehr dazu hier und hier.

  • viele von uns einen großen Teil des Arbeitstages damit verbringen, E-Mails und Benachrichtigungen zu beantworten – und nie zum wirklichen Arbeiten kommen oder gar Zeit zum Nachdenken haben?

  • wir Apps zum Abschalten brauchen und dann wieder welche, um zu zeigen, wie gut es uns damit ging?

  • wir gar nicht mehr richtig flirten? (Wie denn auch, wenn wir ständig auf unser Smartphone starren?) Früher lernten wir unsere Partner in Bars kennen. Heute swipen wir nach rechts oder links. Und ganz ehrlich: 'Romantisch' ist etwas anderes als 'Markus ist nur 500 Meter entfernt'.

  • wir uns von Maschinen herumkommandieren lassen? Früher hätte man das Science Fiction genannt, heute Siri und ChatGPT. Und wenn wir schon dabei sind...

  • wir uns von einer KI Ratschläge für persönliche, sogar intime Entscheidungen geben lassen, aber auch was juristische, rechtliche und medizinische Themen angeht und uns auch nicht davor scheuen, Betriebsgeheimnisse preiszugeben, um die perfekte E-Mail-Antwort zu schreiben?

  • wir - dank KI-Navigation – in der eigenen Stadt aufgeschmissen sind, uns nicht orientieren können (oder weißt du gerade wo Norden und Süden sind?) und den Weg nach Hause nicht mehr finden?

  • wir wissen, dass das „Mehr“-Denken ausgedient hat, weil wir den Planeten an seine Grenzen gestoßen haben und dafür nun berechtigt weniger fliegen oder Auto fahren, weniger Plastikmüll produzieren, weniger konsumieren usw., aber die neuen Technologien weiterhin auf „Mehr“ trimmen? Mehr Produktion (in kürzerer Zeit und mit weniger oder gar keinem Gehalt an echte Menschen), mehr Umsatz, mehr Gewinn?

  • wir die Zeit, die wir durch den Einsatz von Automatisierung und KI gewinnen, nicht in mehr Freizeit, Care-Arbeit, Erholung, Umweltschutz und Nachhaltigkeit investieren, sondern ganz einfach noch MEHR arbeiten?

  • KI uns hauptsächlich nicht die langweiligen, mühsamen, sich wiederholenden Arbeiten abnimmt, sondern die schönen, angenehmen, kreativen, menschlichen? Passend dazu das Zitat von Joanna Maciejewska, dass zurzeit die Internet-Runde macht: „I want AI to do my laundry and dishes so that I can do art and writing, not for AI to do my art and writing so I can do my laundry and dishes.“

  • uns ein Bildschirm nicht genug ist und wir beim abendlichen Netflix und Chill unbedingt auch ins Smartphone schauen müssen?

  • in der Coaching-Welt immer mehr nur Online-Kurse anbieten (wollen), in denen sie anderen zeigen, wie sie zu dem geworden sind, was sie sind, damit diese es ihnen nachmachen, und niemand die eigentliche Arbeit (also das Coaching an sich und die Unterstützung von Menschen in ihren Herausforderungen), operativ mehr machen will?

  • mir alle zustimmen, dass wir alle nur am Smartphone hängen und/oder süchtig nach Social Media sind, und dass es nur noch schlimmer wird, aber nur die wenigsten für sich (oder ihre Kinder) etwas dafür tun, um das langfristig zu ändern (wie zum Beispiel das hier)?

  • wir ständig von Push-Benachrichtigungen und News unterbrochen werden? Dass wir so überinformiert sind, dass wir gar nichts mehr wissen?

  • wir von Werbung und gezieltem Marketing permanent verfolgt werden?

  • wir im Big-Brother-Zeitalter angekommen sind und sich niemand wirklich aufregt? GPS-Tracker, Online-Daten bis hin zu Einkaufsverhalten und Gesundheitswerten, jeder Schritt wird verfolgt. Früher hätte uns das schockiert, heute ist es normal. Und dann sind da noch die Datenschutzrichtlinien, die niemand liest, oder die Cookie-Banner auf Websites, denen wir meist genervt zustimmen, damit sie verschwinden.

  • uns eine Uhr sagt, wie es uns geht, und unser Handy, dass wir mehr schlafen sollten? Unser Handgelenk weiß mehr über unsere Gesundheit als wir selbst. Jeder Schritt und jeder Atemzug im Schlaf wird freiwillig getrackt - Stichwort Selbstoptimierung. Das Ergebnis? Wir vergessen, wie es ist, wenn der eigene Körper zu uns spricht, nehmen seine Signale nicht wahr - es sei denn, sie erscheinen als Zahlen auf dem Display einer Smartwatch.

  • das „normale“ Geld überholt ist und wir eine Kryptowährung brauchen? (Bitte was, wer hat danach gefragt?) Bitcoin und Co. hätte früher niemand ernst genommen. Jetzt bezahlen wir unseren Latte Machiato mit einer Kryptowährung. Aber wehe, der Kurs stürzt ab – dann gibt's halt doch wieder Bargeld.

  • Menschen Geld damit verdienen, indem sie ihren Alltag filmen und als mobile, lebende Litfaßsäulen fungieren (Stichwort: Influencer)?  Und ja, wir alle haben inzwischen gelernt, wie man einen Avocado-Toast perfekt zubereitet und dass ein Peloton überlebenswichtig ist.

  • wir uns von Maschinen, aka KI-Algorithmen sagen lassen, was wir zu sehen, hören und lesen haben?

  • wir die Gesichter von Freunden und Familie mehr auf Bildschirmen als IRL sehen – digital statt real?

  • unser ganzes Leben zusammenfallen kann, wenn das Internet oder noch besser der Strom komplett und lange ausfällt? Wichtige Dokumente liegen oft nur noch in der Cloud, sind nicht mehr physisch vorhanden sind oder wichtige Transaktionen (z.B. Bankgeschäfte) werden nur noch online abgewickelt.

  • wir die digitale Fessel unserer Zeit (call me Smartphone) freiwillig als modisches Accessoire (in Form von bunten Seilen) um den Hals tragen…?

  • wir immer noch nicht begriffen haben, dass Krieg, Hass und Hetze NIE die Lösung für irgendetwas waren und sind?

 

Vielleicht bin ich einfach nur romantisch und nostalgisch, aber manchmal sehne ich mich nach einer einfacheren Zeit zurück, in der das Leben nicht so sehr von Technologie und Hektik bestimmt war.

Wie siehst du das? Schreib mir deine Meinung oder noch besser: Wie würdest du diese Liste fortsetzen?