Wie ich als Selbstständige 5 Wochen Urlaub mache: Meine 6 Tipps, damit du es auch schaffst
„Holla, die Waldfee!“ denkst du dir jetzt bestimmt – wie kann das nur gehen? Selbstständig und 5 Wochen (am Stück) Urlaub machen? Das gleiche hätte ich vor ein paar Jahren beim Lesen des Titels kopfschüttelnd auch kommentiert.
Aber es ist möglich.
Auch ohne (großes) Team.
Ohne Stress und Existenzängste.
Aber eins nach dem anderen.
INHALTE
Und vor allem ein paar Disclaimer voran:
Das, was für mich, in meiner Branche und in meinem Business funktioniert, kann bei dir ganz anders aussehen. Ich betreibe mein Business zum jetzigen Zeitpunkt zu 100% online, was meine Flexibilität und meinen Wirkungsraum enorm erweitert.
Dazu kommt, dass ich nicht Zeit gegen Geld eintausche – heißt bei mir konkret, dass ich nicht per Stunde abrechne, sondern projektbasiert. Das ist von Vorteil, weil es für mich eine Vorstufe zum next Level, oder eben automatisiertem bzw. passiven Einkommen darstellt, aber auch als Voraussetzung wenn ich den Weg von der Selbständigen zur Unternehmerin wagen möchte.
Ich bin keine frisch aus dem Ei gepellte Selbstständige. Meine Selbstständigkeit zählt nun mehr als 15 Jahre, was mir erlaubt hat, einen soliden Kundenstamm zu bilden, eine gewisse Bekanntheit aufzubauen, die ausreicht, um immer wieder weiterempfohlen zu werden und gleichzeitig auch ein kleines finanzielles Polster zu hinterlegen.
Kurzum, ich bin zurzeit in der glücklichen Lage, mir einen längeren Urlaub zu erlauben.
Aber das war nicht immer so.
Tatsächlich ist 2022 das erste Jahr meiner Selbständigkeit, in dem ich mir selbst einen langen Sommerurlaub – also mehr als 7 oder 10 Tage - gönne. Ob es die vergangenen Jahre nicht möglich war? Doch, das wäre es teilweise gewesen. Aber ich war mental noch nicht soweit. 🙈
Denn ja, auch wenn du alle Voraussetzungen erfüllst, um dir eine lange Auszeit zu gönnen, kann dein Mindset dich davon abhalten:
„Ich kann doch die Kunden nicht im Stich lassen!“
„Das, was ich mache, kann ich nicht delegieren, keiner kann das so gut wie ich!“
„Die Kunden werden es mir bestimmt übel nehmen, so lange unerreichbar zu sein – ich verliere sie noch am Ende!“
Nein.
Nein.
Und nein.
Die, die du im Stich lässt bist du selbst – deine Gesundheit, dein privates Leben, deine Bedürfnisse, dein natürliches und selbstverständliches Recht auf Erholung. Und letzten Endes dienst du deinen KundInnen nicht, wenn du stets kurz vorm Burn-Out bist.
Dein Gehirn, das wohl wertvollste Organ bei deiner Arbeit, braucht Pausen zum Regenerieren. Zum Aussortieren. Zum Entschlacken (wortwörtlich).
Dein Geist braucht Raum für Neues, er benötigt Ruhe zum Nachdenken, zum Auswerten, zum Verarbeiten.
Dein Körper und vor allem dein Nervensystem bedürfen der Stille, einer Auszeit von der unhaltbaren Reizüberflutung der digitalen Medien, aber auch von der ständigen Erreichbarkeit und den Anforderungen des Alltags.
Und natürlich bist du einzigartig – deine Aufgaben und Dienstleistungen in den meisten Fällen aber nicht. Außer du bist Künstler, Heiler oder Sportler o.ä., hast also ein bestimmtes Talent, das es auf der Welt nur so einmal gibt. Dann darfst du die nächsten drei Absätze gerne überspringen. (Und: Wie schön, wenn du in diesen Bereichen unterwegs bist!)
Repeat after me: “Für einen gewissen Zeitraum kann und darf ich meine Aufgaben an andere delegieren, damit meine Kunden und mein Gewissen beruhigt sind. “
Du verlierst keinen einzigen Zentimeter deiner Expertise oder deiner Bedeutung, wenn du dir helfen lässt. Ganz im Gegenteil: Du gewinnst nur dazu, denn du zeigst Verantwortungsgefühl, Kompetenz und Professionalität.
Und: Wenn du deine wohlverdiente, lange Auszeit richtig planst (wie, erfährst du gleich) und deine Kunden trotzdem merkwürdig reagieren, dann sagt das mehr über sie als über dich aus.
Denn, brauchst du wirklich KundInnen, die kein humanes Verständnis für ihre Mitarbeitenden zeigen, die Notwendigkeit eines Urlaubs nicht verstehen und nicht wollen, dass du mal wieder richtig Energie tankst – um letzten Endes auch ihnen besser zu dienen?
Ich denke nicht.
Vielleicht fragst du dich, wieso ich denn überhaupt ganze 5 Woche brauche?
Und ich frage dich: Warum nicht? Sind 5 Wochen wirklich so viel?
Während meiner Selbständigkeit gab es Zeiten, ja Jahre, da habe ich 7 Tage die Woche gearbeitet, besonders am Anfang. Keine Pausen, keine Auszeiten.
Und ich habe auch im „Urlaub“ ein bisschen was gemacht, immer wieder mal reingeschaut in die Social Media Accounts der Kunden, hier eine Frage beantwortet, dort eine Ad optimiert. Man könnte das auch als „Workation“ bezeichnen – auch so ein herrliches, modernes Buzzword des digitalen Zeitalters. Ich hasse es.
Aber ist es wirklich Urlaub, wenn man nebenbei – auch wenn nur 5 Minuten am Tag – sich um die Arbeit kümmert?
Kann man sich wahrhaftig erholen, wenn man die Arbeit nicht ruhen lässt?
Es geht nicht um die Quantität, die 5 Minuten, das Mal-Kurz-Checken – es geht ums Prinzip.
Es geht ums Loslassen.
Wieso sind wir alle so arbeitssüchtig geworden? Wieso können wir nicht loslassen: Vom E-Mail Postfach, dem Laptop, dem Smartphone, unserem Marketing? Technologie sollte unseren Alltag doch besser machen, wir sollten doch eigentlich weniger arbeiten?
Was zur Hölle ist hier schiefgelaufen?
Wieso ich mir also 5 Wochen nehme?
Weil ich es kann.
Und weil ich Sehnsucht habe. Nach der guten, alten Zeit. Wo man mehrere Wochen in den Urlaub verschwand und die Arbeit, samt Kollegen und Chef hinter sich ließ.
War unsere Arbeit, unsere Position damals nicht wichtig genug? Natürlich war sie das.
Ist die Welt zusammengebrochen, weil wir uns in Spanien die Sonne auf den Bauch haben scheinen lassen, wochenlang? Nein.
Ist die Welt heute eine andere? Eine schnellere? Definitiv.
Ist es denn dann nicht noch dringender, sich noch mehr Zeit als früher für Erholung zu gönnen? Ich denke ja.
Erst letztens habe ich in einer Podcastfolge von Amy Porterfield gehört, wie sie ihre 30 Tage lange Auszeit dieses Jahr als Mini-Sabbatical bezeichnete. Ich war gleichzeitig geschockt, verwirrt und traurig darüber, dass sie als erfolgreiche Unternehmerin, die über ein großes Team verfügt sich nicht öfter längere Pausen gönnen kann.
Ok, in den USA ist das Thema Urlaub selbst für Angestellte nicht so selbstverständlich wie in Europa, geschweige denn für Unternehmer, aber trotzdem:
Wenn ich als Selbstständige oder Unternehmerin nicht die Freiheit genießen kann, für die ich jahrelang hart arbeite, wieso mache ich das alles dann?
Und für all die, die jetzt aufschreien: Aber Rini, ich LIEBE, was ich tue, es fühlt sich nicht wie Arbeit an, es ist meine Passion, mein Leben!
Ähm ja, das kann sein, I feel you.
Aber.Es.Ist.Arbeit.
Es ist trotzdem Aufwand, es ist Energie, die eingesetzt wird und die aufgefüllt werden muss.
Hier sind also meine 6 Tipps, wie du es schaffst, dir auch eine längere Auszeit zu genehmigen:
1. Kalkuliere deine Auszeiten in deinen Preisen mit ein
Wenn du ein Angebot erstellst, oder den Preis eines Produktes oder einer Dienstleistung festsetzt, dann kalkuliere ihn so, dass du davon auch während Auszeiten leben kannst.
Praktisch übersetzt heißt das, dass du dir von deinen Einnahmen einen Teil für ein finanzielles Netz hinterlegen kannst. Das fängt dich nicht nur während deiner Auszeiten auf, sondern auch, wenn es mal wieder Weltkrisen gibt und der Markt ins Stocken kommt, oder wenn du krankheitsbedingt ausfällst. 5-10% deiner monatlichen Einnahmen solltest du dafür beiseitelegen können.
Achtung: Ich spreche hier nicht von einem Spar- oder Investitionsplan, sondern von einem Geldbetrag, der auf einem Girokonto lebt, auf das du gleich Zugriff hast, wenn’s darauf ankommt. Ich habe mir dafür ein Tagesgeldkonto angelegt, das diesen Zweck erfüllt.
2. Kommuniziere deinen Urlaub rechtzeitig
Und damit meine ich nicht 2 Wochen im Voraus. Ich habe meine Auszeit, die am 08.08. anfängt und am 11.09. endet, schon Anfang Mai 2022 an alle meine Kunden kommuniziert.
Ja, ganze 3 Monate im Voraus.
So waren alle gleich im Bilde, fühlten sich respektiert, weil rechtzeitig abgeholt und wir konnten einen Plan erstellen wer was wie wann macht.
In meiner E-Mail habe ich darüber informiert, was ich schon im Vorfeld für die 5 Wochen abdecken kann, wer meine Stellvertreterin sein wird (dazu im nächsten Abschnitt mehr) und dass ich nicht erreichbar sein werde, außer es brennt – im wahrsten Sinne des Wortes. In dem Fall kann man mich anrufen, aber E-Mail Verkehr oder Messenger-Dienste sind Tabuzone.
Ich muss gestehen, ein bisschen Bammel hatte ich schon. Zu meiner Überraschung habe ich aber nur positive Reaktionen erhalten – viele waren sogar neidisch über meine Entscheidung, aber alle haben mir nur das Beste gewünscht und dass ich super erholt wieder im Herbst zurückkommen soll.
Geht doch.
3. Wenn möglich, delegiere Aufgaben
Da ich noch manche Kunden bei ihrem Social Media Marketing aktiv betreue, musste ich für den einen Bereich einen Ersatz finden, den man eben nicht, wie Beiträge oder Anzeigen, im Voraus planen kann: Das Community Management. Hier bin ich in der glücklichen Lage, auf eine selbständige Kollegin zurückgreifen zu können, die das immer wieder gerne für mich übernimmt.
Falls du in deinem Wirkungsbereich das Gleiche machen kannst, dann go for it. Durch die Vorarbeit und das nicht Ausfallen der abgemachten Dienstleistungen kann ich auch während der Zeit, in der ich im Urlaub bin, ganz normal meine Rechnungen ausstellen.
So bekommen meine Kunden weiterhin das, was sie von mir erwarten, meine Einnahmen bleiben unverändert und ich kann auch eine Stellvertreterin bezahlen. Win-Win-Win.
4. Plan dir Puffer-Tage vor und nach dem Urlaub ein
Niemand möchte am ersten Tag nach dem Urlaub gleichzeitig 892.374 E-Mails bearbeiten, 8 Meetings und Kundenbriefings abhalten und die Kampagne für den nächsten Monat erstellen.
Egal wie voll deine Energiereserven sind, gib deinem Körper und Geist Zeit, sich an deinen Arbeitsrhythmus wieder zu gewöhnen.
Ich habe mein Kalenderplanungstool z.B. erst ab dem 4. Tag nach meinem Urlaub für Termine freigeschaltet. Die ersten drei Tage möchte ich die E-Mails durchgehen, mich auf den neuesten Stand bei den Kundenprojekten bringen, mit meiner Stellvertreterin ein Recap machen und die Planung für die nächsten Woche erstellen. Erst danach kann der ganz normale Wahnsinn wieder anfangen.
Vor dem Urlaub habe ich sogar die ganze Woche gesperrt, weil ich weiß, dass sich noch bis zum letzten Augenblick so manches ergeben wird. Dafür möchte ich genug Zeit und Muße haben, um in meine Auszeit so geschmeidig wie möglich zu starten.
5. Lerne, nein zu sagen
Ich weiß, ich weiß: Besonders am Anfang der Karriere als Selbstständige tendieren wir dazu „ja“ zu jeder potentiellen Kundin zu sagen – I did it for the money, wie es so schön heißt.
Und das ist völlig in Ordnung. Später darfst und solltest du dir deine Kunden aber aussuchen, denn das ist ja auch ein Ziel vom nicht Angestellten-Dasein, das eigene Arbeitsumfeld so zu formen, das es Freude bereitet.
Was du aber gleich von der ersten Kundin an machen solltest, ist Grenzen setzen. Wann arbeitest du und wann nicht? Wann bist du erreichbar und wann nicht?
So wird dir das Kommunizieren einer längeren Auszeit leichter fallen und für die Kunden auch keine Überraschung sein – denn sie haben schon im Laufe eurer Zusammenarbeit erfahren, wo du deine Grenzen setzt, bzw. dass du überhaupt welche hast.
Und da gehört das eine oder andere „Nein“ nun mal dazu. Dabei musst du ein „Nein“ auch nicht gleich so formulieren. Schau mal:
„Ich bin von Montag bis Donnerstag per E-Mail erreichbar, zwischen 10 und 18 Uhr. E-Mails beantworte ich nur innerhalb dieser Zeiten und auf alle Fälle binnen 24 Stunden. Wenn Sie eine kurze telefonische Absprache benötigen, oder ein Meeting mit mir abhalten möchten, hier ist der Link zu meinem Kalender, suchen Sie sich gerne einen für Sie passenden Termin aus: https://www.brevo.com/de/ .“
Mit dieser Aussage sagst du auf der einen Seite nein zu WhatsApp Nachrichten um 23 Uhr, E-Mails an Sonntagen und schier endlosen Abstimmungsschleifen, um einen passenden Termin für das gemeinsame Meeting zu finden.
KundInnen schätzen klare Regeln, transparente Kommunikation und definierte Optionen.
Mir hat noch keine Kundin abgesagt oder gekündigt, weil ich an Wochenenden keine E-Mails beantworte - weil ich eben an diesen beiden Tagen nicht arbeite – und es aber VORHER schon so kommuniziert hatte.
Lege deine Konditionen fest, trau dich und genieße geregelte Beziehungen, geschmeidig funktionierende Kooperationen, glückliche Kunden – und längere Auszeiten.
6. Schalte wirklich ab: Gehe offline
Das heißt jetzt nicht, dass ich dir empfehle, während deines gesamten Urlaub ein Digital Detox einzulegen – obwohl du auch das, oder eben reduzierte Bildschirmzeiten oder Social Media freie Tage für dich gerne ausprobieren darfst.
Smartphones sind wunderbare Tools – ich nutze sie sehr gerne, weil sie mir das Leben erleichtern. Um aber an diesem Punkt anzukommen, musste ich auch vieles, was digitale Achtsamkeit angeht, lernen – denn die Apps, die man sich dort runterladen kann, sind gedacht, um uns so lange wie möglich online zu halten – hallo Social Media Sucht!
Auch öffnen die Möglichkeiten unserer digitalen Geräte die Tore der ständigen Erreichbarkeit sperrangelweit. Sie zu schließen ist nicht unmöglich, aber erfordert so einiges an Selbstdisziplin, Vertrauen und Verantwortung.
Kurzum:
Lass den Laptop zu Hause, wenn du im Urlaub irgendwo hin fliegst oder fährst – du arbeitest ja nicht, schon vergessen?
Wenn möglich, lass auch dein Tablet daheim – groß ist die Versuchung, neben den Filmen, die man sich runtergeladen hat, auch mal „kurz“ die Arbeits-E-Mail zu checken
Lösche alle Dienste vom Smartphone, die du in der Arbeit nutzt und die du nicht im Urlaub brauchst, oder von denen du tatsächlich Abstand gewinnen möchtest: E-Mails, Messenger-Dienste, Social Media & Co.
Nutze das Smartphone für all die anderen wundervollen Dinge, die man damit machen kann – Fotos, telefonieren, den Weg finden, Restaurants und Sehenswürdigkeiten in der Nähe deines Reiseortes entdecken.
Gönne deinem geliebten Smartphone auch Auszeiten – es leistet das ganze Jahr über so viel für dich! Lasse es daheim, wenn du an den Strand gehst (die Sonne bekommt den meisten sowieso nicht) oder erlaube es ihm, in einer schönen offline Pouch vor sich hin zu schlummern
🏝️ Na, bist du jetzt auch schon in Urlaubsstimmung? Ich jedenfalls freue mich wie ein Schnitzel auf meine lange Auszeit dieses Jahr!
Das Beste daran: Ich habe NICHTS geplant, außer einem 10-tägigen Aufenthalt in Italien. Die restliche Zeit lasse ich mich treiben, höre noch mehr auf meine körperlichen und seelischen Bedürfnisse und bin gespannt, was sich so alles ergeben wird, im Innen wie im Außen.
Und wenn es etwas darüber zu berichten geben wird, dann wirst du das als allererste hier erfahren.
Wie ist es mit dir? Wie gehst du das Thema Urlaub als Selbständige an? Kannst du dir längere Auszeiten vorstellen, bzw. schon erlauben und planen? Ich freue mich auf dein Feedback, gerne per E-Mail.