RINI PEGKA

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Meine Atem-Story und wieso atmen so viel mehr ist

INHALTE

  1. Ich atme, also bin ich

  2. Die Atmung und ich - ein vertrautes Team

  3. Stotter-Kind

  4. Logopäden-Odyssee

  5. Eigentlich nur logisch

  6. Atem als Gefühlsbarometer

  7. Atmung ist steuerbar

  8. Alter vs. neuer, gesunder vs. ungesunder Stress

  9. Viele gute Gründe, dem Atem mehr Beachtung zu schenken

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Ich atme, also bin ich

Ein Blogartikel über das Atmen – nun, das klingt auf den ersten Moment nicht gerade wahnsinnig spannend. Die Geschichte der Atmung kann doch in wenigen Worten erzählt werden: Wir Menschen atmen, damit unser Körper und alle Organe Sauerstoff bekommen. Darum atmen wir ein und aus. Fertig. Doch mitnichten!

Das Atmen ist so viel mehr als der bloße Sauerstoffaustausch in den Lungen und die Aufrechterhaltung der menschlichen Vitalfunktionen. Denn unser Atem ist quasi ein Alleskönner: Er reagiert auf jede Gefühlsregung in uns – kann umgekehrt auch jedes Gefühl beeinflussen. Das heisst, je tiefer und freier wir atmen, desto mehr können sich angenehm-wohlige Gefühle in uns ausbreiten. Stehen wir so, dass wir gut und tief atmen können, dann ist auch unsere Haltung ideal und attraktiv – die Wirbelsäule ist aufgerichtet, die Schultern gerade. Das zeugt von innerem Kraft, Körper- und Selbstbewusstsein. Mit aufrechter Haltung und guter Atmung wird auch unsere Stimme besser getragen.

Na, immer noch der Meinung, dass das Thema Atem langweilig ist? Eben. Nicht umsonst sagte der deutsche Schriftsteller Theodor Fontane so treffend: «Je freier man atmet, desto mehr lebt man.» Seine Worte haben auch noch heute nichts an Wahrheit eingebüßt – obschon ich arg bezweifle, ob er sich selbst in seinen kühnsten Träumen unsere heutige Welt voller digitaler Datenautobahnen, Hyperkonnektivität, Stress und portablen Minicomputern zum Schreiben, Telefonieren, Fotografieren hätte vorstellen können.

In dieser bunten, lauten, schrillen und stets dynamischen Welt reagiert unser Atem auf alles, was uns Menschen innerlich und äußerlich bewegt. Das drückt sich auch in unserer Sprache und in vielen damit verbundenen Redewendungen aus. Die untenstehende Liste ist bei weitem nicht vollständig, zeigt aber sehr gut auf, welchen Stellenwert der Atem in der deutschen Sprache hat.

·         Wenn etwas wunderschön ist, nimmt es uns wortwörtlich den Atem.

·         Brauchen wir Durchhaltevermögen, dann ist langer Atem gefragt.

·         Warten wir gespannt auf eine Entscheidung oder eine Antwort, so halten wir den Atem an.

·         Erschrecke ich, dann stockt mir der Atem.

·         Hängt jemand wie eine Klette an mir, so nimmt diese Person mir die Luft zu atmen.

·         Ein Ereignis kann die gesamte Welt in Atem halten.

·         Bin ich konsterniert, dann verschlägt es mir schon mal den Atem.

·         Habe ich keine Kraft mehr, dann ist die Luft komplett raus.

·         Textet mich jemand pausenlos zu, so kann es sein, dass ich plötzlich sage: „Halt die Luft an!“

·         Hängt der Haussegen schief, herrscht dicke Luft.

·         Beschwert sich jemand, so macht er seinem Ärger Luft.

·         Die Aussicht ist atemberaubend schön.

·         Es herrschte atemlose Stille, bevor tosender Applaus losbrach.

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Die Atmung und ich – ein vertrautes Team

Zur Atmung habe ich seit meiner Kindheit ein ganz besonderes Verhältnis. Bin ich traurig, habe Liebeskummer, fühle mich gestresst, beruflich oder privat unter Druck gesetzt, so macht sich dies sofort in meinem Atemsystem bemerkbar: Es drückt mir wortwörtlich die Luft ab. Mich plagt dann ein trockener Reizhusten, mein Kehlkopf schmerzt. Ich verspüre Druck – als ob sich ein eiserner Ring um meinen Brustkorb schlingt und von einer unsichtbaren Kraft immer mehr angezogen wird.

Habe ich jedoch die belastende Situation überwunden, verschwinden sämtliche Symptome im Nu. Zum Glück kann ich heutzutage viel besser mit solchen Situationen umgehen. Ich weiß jetzt, dass es mir schlagartig besser gehen wird, sobald ich diese Krise gemeistert habe. Doch früher, als ich noch nicht um diesen Zusammenhang wusste und keine hilfreichen «Notfall»-Tools zur Hand hatte – und ehrlich gesagt auch sonst nicht so groß auf meinen Körper und mich selber geachtet hatte –, war das ganz schön beängstigend.  

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Stotter-Kind

Meine Atmung liegt mir auch noch aus einem anderen Grund sehr am Herzen. Dank ihr – respektive dank der richtigen Atemtechnik und bestimmten Übungen – konnte ich mein ausgeprägtes Stottern überwinden. Jahrelang war mein Redefluss gestört bis komplett blockiert, ich habe Laute, Silben und Worte mehrfach wiederholt oder unnatürlich in die Länge gezogen. Das Stottern hat meine Lebensqualität lange Zeit enorm beeinträchtigt. Und es war ein wahrer Teufelskreis: Ich schämte mich, war verkrampft, habe deshalb natürlich erst recht gestottert. Als Folge lachte man mich aus, zeigte auf mich, einmal sogar eine Lehrerin. Da habe ich mich gleich noch mehr geschämt.

So hat sich – wie auf einer imaginären Perlenkette aufgezogen – eine schlechte Erfahrung an die nächste gereiht. Und als ich vor versammelter Klasse wieder einmal etwas sagen sollte, kamen all die schlechten Erfahrungen hoch und ich war schrecklich gehemmt – was sich in logischer Konsequenz nicht gerade positiv auf meinen Redefluss ausgewirkt hat. Absolut verständlich also, dass ich mich in der Schule nie freiwillig meldete. Dabei war ich ein intelligentes Kind und eine sehr gute Schülerin, habe wie ein leerer Schwamm gierig den Lernstoff aufgesogen, war belesen und wusste enorm viel. In den schriftlichen Tests erreichte ich stets glänzende Noten. Wie wichtig wäre es doch gewesen, hätte ich mich richtig und ohne Furcht vor Versagen mitteilen können. Denn nichts prägt unser Leben mehr als die Kommunikation. Sie ermöglicht uns, mit anderen Menschen zu interagieren, uns mitzuteilen, zu «connecten» und soziale Beziehungen aufzubauen.

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Logopäden-Odyssee

Es ist wichtig, dass unserer Kommunikation nichts im Wege steht und sie reibungslos funktionieren kann. Dies ist aber leider nicht allen vergönnt. Ausdrucksschwierigkeiten, Scham und Angst vor dem Sprechen, wie sie beim Stottern auftreten können und ich am eigenen Leib nur zu gut erlebt habe, machen den normalen Sprechablauf praktisch unmöglich und schränken die meisten betroffenen Personen in ihrer sozialen Interaktion und der gesamten Lebensqualität massiv ein. Dies kann schwerwiegende Folgen für die Entwicklung und das Selbstwertgefühl eines Menschen haben. Mit diesem Wissen im Hinterkopf haben mich meine Eltern zu vielen Fachpersonen gebracht, ich wurde zigmal untersucht und von einer Logopädin zur nächsten weitergereicht.

Ich habe keine Ahnung mehr, wie viele Kiefer- und Lippenübungen ich in der ersten Dekade meines Leben wohl gemacht habe. Tausende Male habe ich artig «Oh», «Ih», «Eh» und «Ah» gemacht. Doch nichts half. Bis ich bei einer ganz besonderen Logopädin landete. Sie war anders als alle, die ich bisher getroffen hatte, das erkannte ich sofort. Und ich hatte beileibe genug einschlägige Erfahrungen sammeln können, um das beurteilen zu können. Ich erinnere mich gut an Räucherstäbchen, ihre spezielle Kleidung sowie ihren ganz besonderen Ansatz, mit mir zu arbeiten.

Zu meinem grossen Erstaunen wollte sie mich nicht laut und deutlich artikulieren hören und meine Lippen dabei kritisch beobachten, wie sie sämtliche Vokale und Konsonanten des Alphabets vor- und rückwärts korrekt formen konnten. Nein, ich musste «nur» atmen. Denn die Kunst des Sprechens liege im Atmen, erklärte sie mir. Sie zeigte mir geduldig und ausführlich, wie ich atmen sollte. Ich machte verschiedene Atemübungen, lag ausgestreckt auf den Boden, legte mir die Hand auf die Brust und spürte mich, meinen Atem, meinen Rhythmus.

Und siehe da, innert weniger Wochen machte ich erstaunliche Fortschritte und konnte das Stottern – zur großen Erleichterung meiner Eltern und zu meiner eigenen ganz besonders – hinter mir lassen. Was für eine Befreiung! Endlich konnte ich sprechen, ohne mich vorgängig voller Angst und Nervosität komplett zu verspannen. Der Teufelskreis war durchbrochen. Das hatte ich einzig und allein der neu erlernten Art zu atmen zu verdanken. Von dem Moment an ging ich gleich ein Stück aufrechter durchs Leben.

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Eigentlich nur logisch

Der Atem hat mir buchstäblich zu meiner Stimme verholfen. Mir war also schon früh bewusst, dass richtiges Atmen sich in vielerlei Hinsicht positiv auf das Wohlbefinden und das Leben allgemein auswirkt. Nichts lag also näher, als nach Abschluss meiner Ausbildung zur Diplom-Biologin Zusatzlehrgänge zur Atemtrainerin (Breath-Coach) und Meditationslehrerin zu absolvieren. So hatte ich einerseits ein umfassendes fundiertes Wissen, andererseits meine ganz persönlichen Erfahrungen und Tools, um andere Menschen dabei unterstützen zu können, wieder freier, bewusster und gelöster atmen zu können. 

Als ehemaliges Stotter-Kind und diplomierte Meditationslehrerin, die täglich meditiert, weiss ich nur zu gut, welch grosse Rolle der Atem im Leben eines Menschen hat: Über ihn kommt man mit sich selber in Kontakt und öffnet so sanft das Tor zum Unterbewusstsein. Denn alle Meditationen beginnen und enden mit der Fokussierung auf den Atem. Bei einigen Meditationen geht es auch rein nur um den Atem und bei allen ist der Atem der Fokuspunkt, eine Art sicherer Anker, an den man sich immer wieder zurückkehren und festhalten kann, wenn uns die Gedanken wieder davonschweifen lassen.


Aber beginnen wir doch ganz vorne

Unser Leben findet zwischen dem ersten und dem letzten Atemzug statt. Das Atmen ist für einen Großteil der Menschen etwas sehr Selbstverständliches und den wenigstens richtig bewusst. Hand aufs Herz: Wie viel Aufmerksamkeit schenkst du, liebe Leserin, lieber Leser, deiner Atmung und den Atemwegen? Normalerweise wohl keine besonders große. Ist zwar schade, aber in Ordnung. Wir setzen die einwandfreie Funktion unseres Körpers einfach voraus. Erst bei Störungen des Atemflusses, wenn uns z. B. aufgrund einer Bronchitis das Atmen schwerfällt und es uns wesentlich mehr Energie kostet als normal, merken wir, wie wichtig der Atem doch für unser gesamtes Leben ist. Wir sind erschöpft, abgekämpft, ausgelaugt, lärmempfindlich, irgendwie angespannt und doch gleichzeitig seltsam kraftlos. Nicht nur eine hartnäckige Verstopfung der Atemwege kann diese Empfindungen hervorrufen, sondern auch Dauerstress und das Gefühl permanenter Überforderung.

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Atem als Gefühlsbarometer

In entspanntem Zustand machen Erwachsene etwa 720 bis 950 Atemzüge pro Tag, das sind zwischen 12 und 15 pro Minute. Am Atemmuster eines Menschen kann man sehr gut ablesen, wie er sich gerade fühlt. Beobachte mal: Wie atmet dein Gegenüber? Flach, gepresst, stoßweise, hastig – oder ruhig, gelöst, tief und entspannt? Zählt man mit – passt seinen eigenen Atemrhythmus vielleicht sogar dem der anderen Person an –, erkennt man sehr schnell, ob sie ent- oder angespannt ist und auch, ob sie sich in der eigenen Haut oder in einer bestimmten Situation wohlfühlt oder am liebsten Reißaus nehmen möchte. Das geht übrigens nicht nur bei anderen Menschen: Diese Analyse kann auch wunderbar auf den eigenen Atem angewendet werden. Und genau darum geht’s! Innehalten, in sich hineinhorchen, und die Signale des eigenen Körpers wertfrei registrieren. Dieses bewusste Erspüren des eigenen Befindens ist der erste Schritt in die richtige Richtung. Nimmt man seinem Atem richtig wahr, so ist dies meistens der Beginn einer lebenslangen, wunderbaren Freundschaft.


Schlüsselerlebnis

Dieses bewusste Spüren des eigenen Seins wiederum setzt eine Entwicklung in Gang, die dazu führen kann, dass man seinen Körper auf eine ganz neue Weise «auszufüllen» beginnt. Man wird sich seiner eigenen Präsenz auf diesem wunderbaren Planeten von den Zehen bis in die Fingerspitzen bewusst. Man lernt, das Atmen zu genießen, sich eins zu fühlen mit «dem grossen Ganzen». Wenn ich einfach «nur bin» und atme, verspüre ich eine grosse Dankbarkeit und Erfüllung. Ich tanke Kraft für den Alltag.

Ein Schlüsselmoment dabei ist sicher das bewusste «Geschehen-Lassen», das achtsame Erspüren sowie das Annehmen des eigenen Atems. So wird unser unbewusster, individueller Atemrhythmus zu einer ganz bewussten Erfahrung, die wir buchstäblich mit Leib und Seele machen. Diese wertvolle Erfahrung kann nun zwischen dem Bewusstsein und unbewussten, im Körpergedächtnis gespeicherten Verarbeitungsmustern und Blockaden vermitteln. Eine Atemtherapie mit entsprechenden Übungen kann so nach und nach in die Tiefe wirken und weiter unten liegende Schichten der körperlich-seelischen Lebensgeschichte erreichen. Dank der Atemtherapie kann man sie angehen und durcharbeiten. Körperliche Blockaden werden auf sanfte Weise gelöst, seelische Kräfte gestärkt und entfaltet. Man findet innere Ruhe, Gelassenheit, hat mehr Energie, Vitalität und Lebensfreude.

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Atmung ist steuerbar

Unsere Atmung ist die einzige autonome Funktion, über die wir Menschen bewusst die Kontrolle übernehmen können – ganz im Gegensatz zum Herzschlag oder zur Verdauung, die wir weder bewusst beschleunigen noch verlangsamen können. Jedoch können wir Art und Frequenz unserer Atmung regulieren. Diese Erkenntnis ist dann besonders wertvoll, wenn wir merken, dass wir gestresst sind.

Unser Körper kann im ruhigen, entspannten Zustand optimal funktionieren: Beanspruchte Muskeln und Fasern erholen sich; der Körper «repariert» sich quasi selber. In diesem Zustand sind wir fokussierter, können klarer denken und besser mit unseren Mitmenschen kommunizieren. Die für die Atmung zuständigen Muskeln des Brustkorbes arbeiten geschmeidig und harmonisch, alles funktioniert reibungslos.

Stress kann schaden

Sind wir hingegen gestresst, haben vielleicht Probleme am Arbeitsplatz, Liebeskummer, Geldsorgen, familiäre Belastungen, so betrifft dies nicht nur den Kopf, sondern unseren ganzen Körper. Jedes Organ, jede Körperfunktion ist betroffen. Doch, was genau ist eigentlich Stress? Unter Stress werden alle Arten von körperlichen und seelischen Belastungen zusammengefasst. Stress entsteht im Gehirn: Es bewertet äußere Reize. Je nach Menge und Intensität dieser Reize versetzt es unseren Körper in Alarmbereitschaft.

Stress gehört heute zum Alltag vieler Menschen und er hat viele Gesichter. Doch was passiert bei Stress im Körper? Uns durchfluten noch immer dieselben Hormone, die auch die Menschen in der Altsteinzeit mutig gegen Bären oder Säbelzahntiger haben kämpfen lassen oder vor Gefahren haben Reißaus nehmen lassen. Ist Gefahr im Verzug, schaltet unser Körper um auf Notfallbetrieb: Wir atmen nicht mehr tief in den Bauch hinein, sondern nur noch in die Brust – also hastiger, gepresster, flacher. Adrenalin putscht uns auf, alle Muskeln und Sinne sind bis aufs Äußerste angespannt – um die Energie dafür aufbringen zu können, werden sämtliche «unnötigen» Körperfunktionen ausgeschaltet. Der Körper ist im totalen Ausnahmezustand: Wir sind gestresst.

Sympathischer Sympathikus

Hauptakteur dieser Stressreaktion ist der sogenannte Sympathikus aka sympathisches Nervensystem. Er ist Teil unseres unwillkürlichen, vegetativen Nervensystems (auch autonomes Nervensystem genannt). Da können wir uns noch so sehr anstrengen: Auf seine Abläufe können wir keinen willentlichen Einfluss nehmen, also auch nicht auf den Sympathikus.

Der Sympathikus hat zahlreiche Funktionen, die den Körper blitzschnell auf erhöhte Anforderungen vorbereiten: Er schüttet Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol aus. Dadurch werden Puls -und Atemfrequenz beschleunigt, der Blutdruck schiesst in die Höhe, was wiederum die Durchblutung der Muskulatur steigert. Zudem weiten sich Atemwege, um die Organe mit zusätzlichem Sauerstoff versorgen zu können. In der Leber wird gezielt Zucker freigesetzt – das bedeutet zusätzliche Energie für den Körper. In Extremsituationen kann uns also der Sympathikus das Leben retten, weil er zusätzliche, teils ungeahnte Kräfte in uns mobilisiert. Nicht selten schütteln wir im Anschluss an eine gefährliche Situation, die glimpflich ausgegangen ist, den Kopf und fragen uns, woher wir bloss diese Kraft und diesen Willen genommen haben. Ja, genau das ist auch der eigentliche Zweck dieser Körperfunktion, die noch aus den Urzeit stammt: Im Falle einer drohenden Gefahr soll sie uns eine schnelle Flucht ermöglichen.

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Alter vs. neuer, gesunder vs. ungesunder Stress

Diese oben beschriebene Abläufe im Körper waren bei unseren Vorfahren überlebenswichtig: Sie mussten vor Gefahren fliehen und ums nackte Überleben kämpfen. Heute lauern keine Säbelzahntiger oder hungrige Bären mehr hinter dem nächsten Busch – vielleicht aber ein aggressiver Chef hinter seinem Schreibtisch oder auch hektische, belastende Situationen im beruflichen und privaten Leben.

Laßt mich hier eine kleine Lanze für den Stress brechen – er muss nicht immer nur schlecht sein. Bitte? Klar, es gibt auch positiven Stress! Nehmen wir doch nur mal einen sportlichen Wettkampf: Alle unsere Sinne sind geschärft, der Applaus und das Wissen, das wir super trainiert sind, peitschen uns zur absoluten Höchstform auf. Dasselbe kann auch bei einer grandiosen Präsentation vor Kunden geschehen. Wir surfen auf einer Hormonwelle und bewältigen so eine grosse Aufgabe.

Auf die Länge kommt’s an

Das vegetative Nervensystem verfügt also über eine Art «roten Knopf» – den Sympathikus – der sich aktiviert und den Körper anspannt. Natürlich hat er auch einen Gegenspieler, den Parasympathikus. Er sorgt für Entspannung. Dauert eine Stresssituation nur kurz, kann sich der Körper gut von diesem unglaublich kräftezehrenden Ereignis erholen und in den Normalzustand zurückkehren. Also alles gut.

Hält diese Stress-Situation jedoch an, wird gar chronisch – dauert Tage, Wochen, Monate – dann wird’s bedenklich: Das vegetative Nervensystem kippt in den Zustand der Überaktivierung. Der Sympathikus sendet andauernd Alarmsignale und hält den Körper so in konstanter Alarmbereitschaft. Ein solch gestresster Körper ist nie entspannt und läuft dauerhaft auf Sparflamme. Und ein reduzierter Körper ist weniger belastbar, das Nervenkostüm dünner – die Abwärtsspirale kommt ins Bewegung. So muss es zwangläufig irgendwann zum totalen Zusammenbruch oder Burnout kommen.

Stress macht krank, wenn wir dauerhaft überfordert sind. Bei mir äußert sich Stress, wie ich anfangs dieses Artikels bereits erklärt habe, als Druck auf der Brust, ich huste, ringe regelrecht nach Atem. Doch nicht bei allen Menschen muss sich Stress gleich manifestieren. Obwohl er im Gehirn entsteht, ist er doch ist er ein Ganzkörperphänomen, das verschiedene körperliche und psychische Prozesse beeinflusst. Auf psychischer Ebene kann Stress typische Symptome und Verhaltensänderungen hervorrufen. Körperlich gesehen beeinflusst Stress vorwiegend das Hormonsystem, das vegetative Nervensystem und das Immunsystem.

Dauerhafter Stress macht über die Beeinflussung der verschiedenen Systeme früher oder später krank. Leider werden vielfach nur die Symptome behandelt, der Zusammenhang zu Stress wird oft übersehen. Stress kann Magengeschwüre, Bluthochdruck und Zuckerkrankheit verursachen. Auf psychischer Ebene kann Stress zu Vergesslichkeit führen, zu Konzentrations- oder Schlafstörungen, einer Einschränkung von Kreativität und Leistungsfähigkeit, dem Gefühl innerer Leere oder Unruhe und schlussendlich zu einem Erschöpfungszustand, einer Depression oder einer Angsterkrankung. Klingt alles grässlich, nicht wahr?!

 

Es kann, muss aber nicht

Diesen hier beschriebenen düsteren Aussichten kann ich aber sogleich etwas Gutes entgegensetzen: Es muss nicht immer so enden! Absolut nicht. Stress kann vermieden oder abgebaut werden. Sehr hilfreich ist da als Erstes schon mal, wenn man sich selber an der Nase nimmt und die – seien wir ehrlich, denn das braucht’s jetzt! – teilweise völlig überhöhten Ansprüche an sich selber runterschraubt.

Ganz wichtig: Gönn dir was!

Stress ist eine körperliche Reaktion. Er lässt sich zwar manchmal einfach nicht vermeiden, wir sollten aber unserem Körper die Möglichkeit geben, ihn wieder abzubauen und in den Ruhezustand zurückzukehren. All diese oben beschriebenen Vorgänge im Körper waren vor mehreren zehntausend Jahren dafür gedacht, die Leistungsfähigkeit zu steigern. Unsere Vorfahren haben das ausgeschüttete Adrenalin und Cortisol beim Kämpfen oder Wegrennen abgebaut. Und heute? Unsere Stressauslöser führen nicht mehr zum Wegrennen, darum macht uns Stress überhaupt erst krank. Bären gibt’s fast nur noch im Zoo – und mit einer Lanze gegen den Chef zu kämpfen empfiehlt sich aus karrieretechnischen Gründen auch nicht unbedingt. Joggen ist eine gute Art, um sich auszupowern. Auch Tanzen, Holzhacken, Boxen – egal, was man tut, Hauptsache, der Körper kann die ausgeschütteten Stresshormone abbauen. Und wie wär’s mit autogenem Training, Meditation oder Yoga als Ausgleich?  

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Viele gute Gründe, dem Atem mehr Beachtung zu schenken

  • Wie schon einmal erwähnt: Unser Atem reagiert auf jedes Gefühl und kann umgekehrt jedes Gefühl beeinflussen. Sind wir angespannt, fliesst der Atem nicht richtig, unser inneres Licht flackert bedenklich. Dem kann man entgegenwirken, indem wir an etwas Schönes denken – ein tolles Buch, die schönen Urlaubstage, das Lieblingsgericht … Stellen wir uns das ganz bildhaft vor, so verändert sich unser Atem sofort. Er wird tiefer, wir fühlen sich sofort wohler.

  • Auch Lachen hilft! Es befreit, macht uns lockerer, löst Rumpf- und Atemmuskeln, befreit die Kehle und schenkt Körper und Gehirn eine regelrechte Sauerstoffdusche. Glückshormone werden ausgeschüttet, Stresshormone gebremst. Wir spüren, dass der Atem tiefer ist und sich der Herzschlag beruhigt. Ein Wohlgefühl stellt sich ein.

  • Der Atem macht’s: Ein befreiter Atem richtet uns auf, denn mit rundem Rücken können wir schlecht atmen. Leider geht und sitzt unsere moderne Generation des «Homo Digitalis» dauernd vornübergebeugt. Wir starren stundenlang auf den Computerbildschirm oder auf das Handydisplay in unserer Hand. Diese Haltung beeinflusst (und verschlechtert) die Rückenmuskulatur, belastet die Wirbelsäule und erschwert den tiefen Atem. Eine «richtige» Atmung dagegen verschafft eine lockere Haltung, innerlich und äußerlich. Anspannungen lösen sich, Oberkörper und Rumpf können beim Atmen mitwirken. Diese gelöste Atmung wiederum setzt Lebenskraft in uns frei und lockert unsere festgefahrene, verkrampfte Haltung. Wir gehen vitaler und aufrechter durchs Leben, strahlen so Offenheit, Vitalität und Lebensfreude aus.

  • Bye bye hängende Schultern! Unser Erscheinungsbild und Eindruck werden vom Auftreten, der Haltung und dem Gesichtsausdruck bestimmt. Eine gute Haltung hängt von einer aufgerichteten Wirbelsäule ab – aber damit das Ganze nicht grässlich steif aussieht, sind gedehnte, elastische Rumpfwände wichtig. Die gibt’s aber nur bei freier Atmung (siehe oben). Atmen wir richtig, gehören ein gebeugter Rücken, hängende Schultern und angespannte Körperwände bald der Vergangenheit an.

  • Die Stimme einsetzen: Unserer Stimmung spiegelt sich in der Stimme, diese wiederum gehört zu unserer Persönlichkeit. Schon meine Urahnen, die alten Griechen, übten sich in der Stimmbildung, damit die Schauspieler in den Amphitheatern bis in die hintersten Reihen zu hören waren. Ganz wichtig dabei ist der wichtigste Atemmuskel: des Zwerchfells. Unser Körper dient als Klangraum, das Zwerchfell fungiert als Kraftwerk. Es lässt die Stimme gefestigt, kraftvoll und angenehm klingen. Ich liebe das Singen, habe jahrelang Gesangsunterricht genommen, wo ich weitere Atemübungen zur Stärkung des Zwerchfells gemacht habe. Singen macht mich glücklich. Zudem hat man mir schon öfters gesagt, wie angenehm meine Stimme klinge. Für die Meditationen, die ich anbiete, ist das natürlich ideal. Flaches Atmen dagegen lässt die Stimme leise, zaghaft und dünn klingen. Je mehr das Zwerchfell zum Einsatz kommt, je freier der Atem fließen kann und je ausgewogener und lockerer unsere Haltung ist, desto mehr Resonanzräume werden im Körper aktiviert und desto klarer, voller und fester hört sich unsere Stimme an.

Wie ich schon ganz am Anfang geschrieben habe, ist unser Atem viel mehr als eine reine Lebensnotwendigkeit. Nimmt man sich Zeit für sich und den Körper – atmet achtsam und bewusst, spürt den Sauerstoff in jeder Faser des Körpers zirkulieren, so kann man daraus viel Kraft, innere Ruhe und Energie für den stressigen Alltag schöpfen. Auch kann man gegen Stresssymptome anatmen und seinen Körper aktiv aus dem roten Drehzahlenbereich holen.